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Hallische Geschichte

»... DAS WORT HALLE, was einen Salzort bedeutet, holen die Gelehrten aus dem Keltischen her.« Und wirklich: Auch hier, östlich der mittleren Saale, siedelten zuerst die Kelten. Etwa ab 500 v.u.Z. wurden sie dann aber vom germanischen Volksstamm der Hermunduren vertrieben. - Schon im Laufe der frühen Jahrhunderte entstanden an beiden Ufern des Hallenser Saaleabschnittes jene Siedlungen, die später zu der neueren Stadt zusammenwachsen sollten: Bellendorf, Böllberg, Giebichenstein, Gimritz, Glaucha, Halle, Kröllwitz, Neumarkt, Trotha, Wörmlitz. Die Salzquellen im »Thale«, unter der »Halle« (zwischen dem Hallmarkt unterhalb der Marktkirche und der Saale), bildeten die wirtschaftliche Grundlage der Bewohner.


Da »fast kein anderes Natur-Erzeugnis sich eines so allgemeinen und vielfältigen Gebrauches erfreut als der Salz-Stoff«, betrieben die Salzsieder und auch die Töpfer bereits einen lebhaften Handel - mit Salz, transportiert in irdenen Gefäßen (sogar bis Rom, wie man aus zahlreichen Münzfunden weiß). Noch während der Hermundurenzeit kam die Salzproduktion aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen zum Erliegen, aufblühen sollte sie erst wieder, als sich slawische Stämme hier ansiedelten, nach 531 u.Z., nachdem die Franken das Thüringer Reich zerschlagen hatten. Im Jahre 806 stieß ein fränkisches Heer unter König Karl, dem ältesten Sohn Kaiser Karls des Großen, in den Elbe- Saale-Raum vor, und gleich wurden zwei Festungen errichtet: ein Kastell bei Magdeburg, das andere »bei dem Orte Halla«.


Rund 120 Jahre später, während der Kämpfe gegen die eingefallenen Ungarn, wurde die hallesche Festung zerstört. Aber zur gleichen Zeit (unter Heinrich I., König des frühfeudalen deutschen Staates) entstand jenes Grenzburgensystem, das - wie schon das karolingische - Stützpunkte für eine künftige Ostexpansion schaffen sollte. Auch die Burg Giebichenstein wurde jetzt befestigt. »Halla« und die Salzquellen gingen in der Mark Giebichenstein auf, und 961 wurde die Großsiedlung von Heinrichs Sohn Otto I. seinem Familienkloster St. Moritz in Magdeburg übereignet, allein die Oberburg des Giebichenstein blieb in Ottos Besitz. Sie diente einstweilen vornehmlich als Gefängnis. Es saßen hier ein: Markgraf Heinrich von Österreich, der Herzog von Schwaben (der aus dem Ritterepos) und Herzog Gottfried von Lothringen, vor allem aber Graf Ludwig von Thüringen, dem die Sage den Beinamen »der Springer« gab; denn mit seinem Sprung aus dem hochgelegenen Kerker in die 40 Meter tiefer gelegene Saale hat er den Spruch »Wer kommt nach Giebichenstein, der kehrt selten wieder heim« bestätigt - »selten« heißt ja doch auch: Mal gelingt's. - zurück zur Heimatseite

In Ottos Schenkungsurkunde aus dem Jahre 961 wurde Halle erstmals urkundlich erwähnt, weshalb dieses Jahr auch als Gründungsdatum der Saalestadt gilt. Seit Mitte des 11. Jh., seit durch die Salzquellen ein richtiger Salinebetrieb entstanden war, blühte der kleine Ort Halle auf - die Gegend um den Alten Markt wurde sein Zentrum (dort steht seit 1905, einer Sage nachempfunden, Heinrich Heiligs Brunnen mit dem bronzenen »Esel, der auf Rosen geht«, das Wahrzeichen der Stadt; das Steinrelief mit eben dem Wahrzeichen am nördlichen Hausmannsturm der Marktkirche stammt aus dem Jahre 1573). Nach 1120, unter Wiprecht von Groitzsch, erhielt die Stadt ihre erste Wehrmauer, auch erweitert wurde sie in der Zeit, u. a. um den Marktplatz und um die Marktkirche St. Marien; die Gertrudenkirche, Gotteshaus der Salzsiedlung, war etliche Jahrzehnte älter. Die heutige Marktkirche entstand nach 1529 auf Weisung »unseres gnedigsten herrn«, des Kardinals Albrecht: Die Vorgängerbauten wurden zu großen Teilen abgebrochen, an ihrer Stelle entstand eine einzige neue Kirche; übernommen wurden die »Blauen Türme« von St. Gertrud (westliches Turmpaar) und die »Hausmannstürme« von St. Marien (im Osten). Geweiht wurde diese Kirche als römisch-katholische, aber Karfreitag 1541 hielt Justus Jonas in ihr die erste lutherische Predigt...



Die Reformation sollte nun auch in Halle endgültig Einzug halten. - Martin Luther predigte übrigens dreimal in der von den Ratsbaumeistern Kraft und Hofmann erbauten Marktkirche, die Unikate und andere wesentliche Dokumente zur Biographie des Reformators bewahrt; an der Orgel, von Cuntius aus Halberstadt zwischen 1713 und 1716 erbaut, wirkte von 1746 bis 1764 Friedemann Bach. »Uffen Marchte zu Halle« fährt man mit der »Elektrischen« so heißt die Straßenbahn hier - und natürlich bewaffnet mit »Musspritze und Meta«, mit Schirm und Handtasche also. Eindrucksvollstes Bauwerk »uffen Marchte« ist der »Rote Turm«, zwischen 1418 und 1506 als Machtsymbol der halleschen Bürgerschaft errichtet. Seinen Namen hat er erhalten »von dem roten Kupfer, damit er gedeckt ist... Der Turm ist sehr fest und schön von dauerhaftem pirnaischem Sandstein aufgeführt, 140 alte hallesche Ellen hoch, und hat ein feines Aussehen«. Am 31. März 1945, 17 Tage bevor die 104. amerikanische Infanteriedivision in Halle der Naziherrschaft ein Ende machte, zerstörten Bomben der US-Air Force u. a. 15% der Altstadt Halles - natürlich wußten die USA seit der Krimkonferenz, daß sie auch diese Stadt wieder verlassen würden. Ein Opfer ihrer Bomben war der Rote Turm. Aber wie er einst das Selbstbewußtsein des aufstrebenden Bürgertumsrepräsentiert hatte, so sollte er nun den Aufbauwillen der Saalestädter symbolisieren. Heil steht er jetzt wieder auf dem Markt, von seiner Ostseite wacht der Roland aus Stein - eine 1719 geschaffene Nachbildung des viel älteren hölzernen Originals - über die 1952 zur Bezirksstadt der DDR erhobene Industriemetropole.


Wer den Weg zum Markt vom 1895 eröffneten Hauptbahnhof aus nimmt, der muß über die (Fußgängern vorbehaltene) Klement-Gottwald-Straße, die jedermann »Boulevard« nennt, und die früher, als hier »Pferde- Elektrische« und dann »richtige Elektrische« bergab und bergauf fuhren, Leipziger Straße hieß. Etwa in der Mitte dieser Fußgängerzone, wo Waisenhaus- und Hansering aufeinandertreffen, steht der »Leipziger Turm« - liebevoll behütetes, von allerlei Sagen umwobenes Baudenkmal aus dem 15. Jh. Von den rund 40 Türmen und Bastionen der einstigen (entlang der sechs großen Ringstraßen verlaufenden) mittelalterlichen Stadtbefestigungsanlage kam allein der Leipziger Turm in unsere Zeit. - Bekanntestes Architekturdenkmal Halles mag die Moritzburg sein. »1484 begannen die Erdarbeiter das Werk«, das als klerikale Zwingburg gegen die sich emanzipierende Stadt errichtet wurde und in dem ab 1503 Erzbischof Ernst, ab 1514 Kardinal Albrecht residierte; im Dreißigjährigen Krieg wurde die Burg bis auf die Ostseite vollständig zerstört. Prall gefüllt mit Geschichte(n) ist der Weg vom Markt zur Moritzburg. An Händels Geburtshaus und am Dom (wo die Universitätsgründung gefeiert worden war) führt er beinahe vorbei, über die Schlachtfelder der Vergangenheit.
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»IN DEM NAHE DER STADT GELEGENEN THALE... zeigen sich als ausdauernde Stützpunkte... vier verschiedene brunnenmäßig gefaßte Salzquellen«, auch »Borne« genannt: der Gutjahr- und der Meteritzbrunnen, der Deutsche Born und der Hackeborn. Noch vor hundert Jahren wurde aus diesen Brunnen Salz gewonnen - von den Bornknechten, die die Sole in Bottichen zu den Siedehäusern (»Koten«) transportierten, von den Salzwirkern, die in den stroh- oder lehmgedeckten Koten die Sole versotteten. Besitzlos waren die »Halleute« - die seit dem 15. Jh. »Halloren« heißen. Sie arbeiteten gegen Lohn, auch gegen »Natural-Besoldung«, für die Salzjunker und für die Besitzer die Siedepfannen, die Pfänner. Der Lohn war mehr als kärglich, die Arbeit unvorstellbar schwer, doch besannen sich die Salzarbeiter schon früh auf eine wirkungsvolle Waffe: Der erste organisierte Streik ist aus dem Jahre1474 überliefert. Ein Geschichtsschreiber aus dem Jahre 1842 teilte freilich auch mit, welcher gemeinsamen Feinde sich Halloren und Pfänner erwehren mußten: »Am schlimmsten aber war es, daß die Erzbischöfe den Salzreichthum der Stadt immer als eine Quelle betrachteten, aus welcher sie beliebig Geld entnehmen konnten; denn eben deshalb hörten, bei der Habsucht des Clerus, die Quälereien gegen die Stadt niemals auf...« Die Halloren unterstanden einer eigenen, von ihnen gewählten Gerichtsbarkeit, aber der Salzgraf, nicht etwa einer von ihnen, leitete das Talgericht. Die Talordnung sah vor, daß sich »Jedermann im Thale vor Fluchen, Gotteslästern, Schelten, Schlagen u. dergl.« zu hüten habe, daß nur der hier arbeiten dürfe, der »in des Landesherrn, Magistrats und Thales Pflichten« stehe, und sie verfügte, daß die Halloren im Kriegsfalle die Stadtmauer zwischen Rannischem Tor und Klaustor zu schützen hatten; Katastropheneinsätze, bei Bränden oder bei Hochwasser etwa, sah die Talordnung ebenfalls vor. Nach 1860 übernahm die hallesche Pfännerschaft die 1772 gegründete »Königliche Saline«. Die Hallmarktbrunnen wurden nun stillgelegt, das »Halloren-Siedesalz« kam - bis Ende 1964 - aus der zwischen Halle und Halle-Neustadt an der Mansfelder Straße gelegenen, 1945 in Volkseigentum überführten ehemaligen »Königlichen Saline«. Längst ist aus ihr ein attraktives Museum geworden: Die Bräuche der 524 gegründeten »Salzwirker-Brüderschaft im Thale zu Halle« sind hier bewahrt, auch ihre farbenprächtigen Trachten und natürlich der sagenumwoben Silberschatz. An einer erhaltenen Siedepfanne demonstrieren zwei im Museum beschäftigte Salzsieder einmal im Monat, wie ihre Kollegen früherer Jahrhunderte Salz gewannen - mit allem Gerät von damals. Die Sole kommt heute freilich mit dem Tankwagen aus Angersdorf vor den Toren der Stadt.
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»ER KAM HER NACH HALLE und fand keinen Auditorem hier...« - der Jurist und Philosoph Christian Thomasius (1655 - 1 728) ist gemeint. Im Frühjahr 1690 war er, durch einen »Verhaftbefehl« aus seiner Geburtsstadt Leipzig vertrieben, in Halle eingetroffen. Seit1684 hatte er an der Leipziger Universität gelehrt - sie war freilich schon vorher zur Hochburg der orthodoxen Lutheraner geworden, jedem Fortschritt in der Wissenschaftfeindlich gesinnt, allein auf die strikte Einhaltung der »reinen« Lehre Martin Luthers bedacht. Dem Geist dieser Alma mater hatte Leibniz einst den Rücken gekehrt Thomasius wurde von ihm zur Flucht genötigt. Ein »Rebell gegen alle Fürsten der Erde« sei er, hatten ihm die meisten Professorenkollegen vorgeworfen, und noch bevor Oberhofprediger Carpzov, ihr Mann in der Residenz Dresden, den Haftbefehl erwirkte, hatten sie schon erreicht, daß Thomasius die Berechtigung entzogen wurde, an sächsischen Universitäten Vorlesungen zu halten, ebenso die Erlaubnis, »als Schriftsteller zur wirken«. Wissenschaft, lehrte Thomasius, dürfe nicht der Theologie dienstbar sein, sie müsse sich von der Theologie lösen. Dafür gelte es, ein Bündnis zwischen Wissenschaft und praktischem Leben zu schließen. Und er lehrte, was nicht nur die Orthodoxen traf, daß gesellschaftliche Zustände auf einem Vertrag beruhten, also natürlichen und nicht göttlichen Ursprungs seien. Sein Rechtsbegriff leugnete nachdrücklich das Gottesgnadentum der Regenten. Ein »greulich Lärmen« kam über Thomasius aber vor allem, weil er seine Vorlesungen seit Herbst 1687 nicht mehr in lateinischer, sondern - als erster - in deutscher Sprache hielt, jedermann konnte ihn nun verstehen. Und das allein wollte Thomasius! - Er nahm den Weg in die Saalestadt über Berlin. Seiner -guten und rühmlichen qualitäten wegen« ernannte Kurfürst Friedrich lll. (seit 1701 als Friedrich I. erster preußischer König) ihn zum kurfürstlichen Rat und schickte ihn nach Halle, in die Residenz des seit 1680 zu Brandenburg gehörenden Erzbistums Magdeburg, damit er dort, »wie er bisher zu Leipzig gethan«, Vorlesungen hielte. Die Strenggläubigen hatten sich auch in Halle gegen ihn verschworen, dennoch wurde der »Zulauff von Studenten und gemeinen Bürgers-Leuten« immer größer, und dem größer gewordenen Kurstaat fehlte eine Ausbildungsstätte für Beamte, Juristen, Pfarrer, Lehrer, Ärzte.


Die »Ritterakademie«, eine Hochschule, über die im einstigen Erzbistum allein die Stadt Halle verfügt hatte, genügte weder den Verwaltungs- noch den merkantilen Plänen des aufstrebenden Staates. Es hat allerdings am Wiener und am Dresdner Hof nicht an Versuchen gefehlt, die Gründung der preußisch-protestantischen »Friedrichs-Universität« zu hintertreiben, aber im Oktober 1693 erteilte Kaiser Leopold ihr endlich doch das Privileg, im Sommer darauf wurde sie - Thomasius ihr erster Rektor - mit einem gewaltigen (auch teuren) Fest eröffnet. »So sehr sich auch die Studentenschaft mehrte« - über ein eigenes Haus verfügte die Universität erst 140 Jahre später, seit 1834. Nach zweijähriger Bauzeit war es auf dem Boden des einstigen Franziskanerklosters (und nicht -Schinkel wollte dieses Projekt verwirklichen - auf dem Gelände der Moritzburg) entstanden. Hauptgebäude der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg ist es heute; seiner Form wegen wurde es bis in unser Jahrhundert hinein spöttisch »Kaffeemühle«, der seit 1868 davorsitzenden gußeisernen Löwen wegen »Lowengebäude« genannt. Die Anziehungskraft der Universität beruhte in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens auf dem Ruf ihrer Professoren. Thomasius lehrte an der Juristischen Fakultät (die die höchste Studentenzahl hatte); bei den Theologen las ab 1698 August Hermann Francke; der bedeutendste Lehrer an der Philosophischen Fakultät (wo auch in den Naturwissenschaften unterwiesen wurde) war der 1706 berufene Christian Wolff,'
(1679 - 1754), der die deutsche Sprache in die Philosophie einbrachte und sie so, wie Hegel später schrieb, »zu einer öffentlichen Angelegenheit machte«. Weil er aber Lehren vorgetragen habe, »welche der im göttlichen Wort geoffenbarten Religion entgegenstehen«, erließ Friedrich Wilhelm I., der »Soldatenkönig«, 1723 auf Betreiben Hallenser Pietisten »Kabinettsordre«, daß Wolff »seiner Professur entsetzt sein soll« und daß er »bei Strafe des Stranges« die Stadt Halle »und alle unsere übrigen Lande« binnen 48 Stunden zu verlassen habe. - Wolff ging nach Marburg, wo u.a. der russische Fischerssohn Michail Lomonossow zu seinen Studenten zählte; zu ihm und zur Petersburger Akademie der Wissenschaften unterhielt Wolff - auch von Halle aus, wohin er nach dem Tode des Königs von dessen Sohn Friedrich II. zurückgerufen wurde - enge Kontakte. zurück zur Heimatseite


Starken Zulauf hatte die Medizinische Fakultät. Und einer ihrer beiden Mitbegründer, Friedrich Hoffmann (1660 - 1742), ist noch heute der in der Welt bekannteste Hallenser Arzt; denn die von ihm aus Äther und Alkohol gebrauten »Hoffmanns Tropfen« bringen ihm noch immer Ruhm. Auf der Haben-Seite der halleschen Medizinischen Fakultät steht auch der Name der in Quedlinburg gebürtigen Dorothea Christiane Erxleben: 1754 wurde sie in Halle zum Dr. med. promoviert als erste deutsche Frau. Ein Universitätsklinikum konnte 1787 eröffnet werden, eigene Räume erhielt es aber erst 1808: im Gebäude des aufgelösten reformierten Gymnasiums am Domplatz. Daß sie nun endlich zur Verfügung standen, war allein dem persönlichen Einsatz des Physiologen und engagierten Sozialpolitikers Johann Christian Reil (1759 - 1813) zu verdanken. Von ihm, der 1810 einem Ruf an die Berliner Universität folgte, wissen wir auch von den erschütternden Lebensverhältnissen der »ärmeren Bevölkerungsschichten« Halles. Die Institute des Klinikviertels zwischen der heutigen Leninstraße und dem Franzosenweg entstanden alle in der zweiten Hälfte des 19. Jh., und schon bald errangen Halles medizinische Einrichtungen europäischen Ruf. Die älteste ist wohl die Chirurgische Klinik, deren Direktor 1867 (der 1885 geadelte) Richard Volkmann wurde und an deren Eingang er sich - in Marmor - seit 1884 den nachfolgenden Kollegen in Erinnerung bringt. Sie sind freilich nicht mehr nur in den alten Uni-Kliniken tätig, sondern auch im neuen Universitäts-Klinikum Kröllwitz, im Bezirkskrankenhaus Dölau oder in der 1985 eröffneten riesigen Poliklinik Silberhöhe. - Volkmann, der die moderne wissenschaftliche Orthopädie begründete und die antiseptische Wundbehandlung einführte, trat auch als Schriftsteller hervor - besonders erfolgreich mit dem 1870/ 71 geschriebenen Märchenbuch »Träumereien an französischen Kaminen«, das er unter dem Pseudonym »Leander« veröffentlichte.


Noch einmal zurück: So erfolgreich die ersten Jahrzehnte der Alma mater halensis auch waren, die drei Schlesischen Kriege und die damit verbundenen wirtschaftlichen Belastungen beendeten nicht nur den bescheidenen Wohlstand der Stadt, sie entzogen auch deren Bildungseinrichtungen die materielle Grundlage. Aus der Trostlosigkeit der so entstandenen Verhältnisse konnte sich die Universität erst um 1790 wieder erheben. Ab da konnten dringend notwendig gewordene Institute gegründet und endlich auch wieder bedeutende Gelehrte gewonnen werden. Der Historiker Sprengel zum Beispiel, der aus seiner Sympathie für die Anfänge der Französischen Revolution kein Hehl machte. Johann Reinhold Forster, Vater des schon berühmten Georg Forster, lehrte Naturgeschichte und Geographie; beide Forsters waren ja mit Cook um die Welt gesegelt. Auch der Philologe Wolf, der Poesieprofessor Schütz, der Naturphilosoph Steffens, der Theologe Schleiermacher und so viele andere Koryphäen des Geistes verhalfen Halle zu der damals »frequentesten Universität«, wie der spätere Dichter Joseph von Eichendorff, der hier 1805/06 Jura und Philosophie studierte, in »Erlebtes« schrieb. Vorher hatten in Halle schon die künftigen anakreontischen Dichter Gleim, Götz und Uz und auch der Romantiker Tieck studiert. Der Medizinstudent Varnhagen von Ense, bekannt vor allem durch den Berliner Salon seiner Frau Rahel, aber selbst ein glänzender Publizist von liberaler Gesinnung, hatte im Wintersemester 1806 inskribiert, jedoch war im Oktober 1806 Napoleon »zu Pferde durchs Klaustor« in die Stadt gekommen, und er hatte auch die Schließung der Universität verfügt, erst 1808 konnte dort wieder gelehrt werden. Der Zusammenschluß der halleschen Universität mit der 1502 gegründeten »Reformationsuniversität« Wittenberg erfolgte 1817. Zwei Jahre zuvor war in Halle die Burschenschaft »Teutonia« gegründet worden; sie ging auf in der »Deutschen Burschenschaft«, die 1819 als »staatsgefährlich« verboten wurde - ohne Erfolg, wie wir aus Halle von Arnold Ruge wissen. Ruge, der spätere Privatdozent, Stadtverordnete und Schiedsmann in der Saalestadt, Mitherausgeber der berühmten »Hallischen Jahrbücher für Deutsche Wissenschaft und Kunst«, kam 1828 zum Jurastudium hierher. Er berichtete vom ungestüm-patriotischen Geist hallescher Burschenschaften, die sich heimlich auf den Pulverweiden, auf der Rabeninsel, in der Heide trafen. Manches patriotische Gefühl war freilich von Chauvinismus getragen, aber was jetzt nur eine Denkart neben aufrichtigem Patriotismus war -nach dem Sieg der Reaktion, nach 1849, sollte sie die allein bestimmende in den Burschenschaften werden, auch in Halle. Die angehenden Akademiker der Juristenfakultät erlagen ihr besonders vehement, und das sollte an dieser Fakultät bis zum Ende der Nazidiktatur so bleiben. - Welcher gute Sinn darin liegt, daß der Antifaschist und bedeutende Romanist Victor Klemperer 1948 Hochschullehrer in Halle wurde: schrieb er doch auch das Buch »LTI« (Lingua Tertii Imperii = Die Sprache des Dritten Reiches). Immer schon genoß Halles Philologie großes Ansehen. Mag sein, daß Vuk Stefanovic Karadzic deshalb 1823/24 in Halle weilte (woran heute eine verwitterte Tafel an einem verwitterten Haus unweit der Elisabethkirche erinnert). Karadzic, ein Freund Jacob Grimms, bekannt mit Goethe und Ranke, ist der Begründer der modernen serbokroatischen Schriftsprache.
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»SCHUTZHEILIGEN DER STADT« nannte Thomas Mann den pietistischen Pädagogen August Hermann Francke (1663 - 1727) im »Doktor Faustus«. Francke begründete das »Waysen-Haus zu Glaucha vor Halle«, aus dem schon wenig später die berühmten »Franckeschen Stiftungen« hervorgingen. Francke war wie Thomasius, freilich auf dem Umweg über Erfurt, aus dem orthodoxen Leipzig an die Saale gekommen. Er wurde Professor für orientalische Sprachen (später lehrte er Theologie), vor allem aber übernahm er die Pfarrei St. Georg in Glaucha. Die unendlich große soziale Not in dieser Gemeinde ließ in ihm den Plan reifen, eine Armenschule und ein Waisenhaus zu gründen. Mit einem 7-Gulden-Geschenk legte er 1695 den Grundstein für die Schule, drei Jahre später waren schon 56 Lehrer für 409 Schüler und für 72 künftige Lehrer der Anstalt tätig. Ein Gebäude nach dem anderen entstand. Im Todesjahr Franckes zählte sie fast 2500 Schüler. Gewiß, die Erziehung ruhte auf den Grundsätzen des Pietismus, sie war aber auch auf Wissen und praktische Fertigkeiten aus. Das Fach Deutsch wurde ebenso unterrichtet wie Naturkunde, Zeichnen und Musik (2 Wochenstunden). Dazu kamen »körperliche Übungen« und handwerkliche Fächer wie Drechseln und Glasschleifen. Unglaublich Franckes Fachsystem: Die Schüler gehörten je nach ihren Kenntnissen in den einzelnen Fächern verschiedenen Klassen an! Franckes Pietismus strebte nach gefühlstiefer, persönlicher Frömmigkeit, war auf tätiges Christentum und auf »gottselige Besserung der evangelischen Kirche« aus. Und anfangs waren seine Bestrebungen auch durchaus den Zielen der Aufklärung verschwistert.



»... GEBOREN DEN 23. FEBRUAR 1685 zu Halle«, machte der »hochberühmte Musicus« Georg Friedrich Händel die Saalestadt zu einem Zentrum der Musikpflege - eine erstaunliche Tatsache insofern, als Händel nur die ersten 18 Lebensjahre (die wenigen späteren Besuche nicht gerechnet) in Halle verbrachte, dafür aber mehr als vier Jahrzehnte ein »in Engelland sich aufhaltender Capellmeister« war. Und eine lange, sehr lange Zeit tat sich die Stadt auch schwer mit Händels Musik. Daß der »Messias« und der »Judas Maccabäus« sechs, sieben Jahrzehnte nach ihrem Entstehen endlich auch in Halle aufgeführt wurden, ist im wesentlichen das Verdienst des allerersten deutschen Universitätsmusikdirektors Daniel Gottlieb Türk; zu einem ersten Höhepunkt hallescher Händel-Pflege wurden dann die Feiern aus Anlaß des 100. Todestages des Komponisten. Robert Franz (1815 bis 1892), der selbst mehr als 350 Lieder nach Texten von Heine, Lenau u. a. komponiert hat, dirigierte »seine« Singakademie, die natürlich Händel brachte. Hermann Heidels Händel- Denkmal, für das Musikfreunde in England und Deutschland gesammelt hatten, wurde am 1.Juli 1859 feierlich auf dem Markt enthüllt. - Händels Opern mußten auf ihre Aufführung in Halle bis in unser Jahrhundert warten - das Stadttheater war 1886 mit dem »Wallenstein« und - musikalisch - mit Beethovens »Fidelio« eröffnet worden, jedenfalls nicht mit Händel. Die eigentliche Händel-Renaissance verdanken wir der Musikwissenschaft. Sie etablierte sich noch vor dem ersten Weltkrieg an der Universität, Hermann Abert begründete sie. Sicher, auch die 1918 gegründete Händelvereinigung pflegte das Werk des Angelsachsen aus Halle, zur Pilgerstätte für die Freunde der ebenso strahlenden wie tiefgründigen Musik Händels wurde Halle indes erst 1952, als das erste Händelfest stattfand; seitdem gibt es alljährlich Händelfestspiele. Im neuen Gewand und um ein Nebengebäude erweitert, präsentiert sich seit 1985 Händels Geburtshaus »Zum gelben Hirsch«: ein sehenswertes, gut informierendes Museum, das der Wirkungsgeschichte, aber vor allem der Biographie nachspürt. Der Sohn des herzoglichen Leib-Chirurgus Georg Händel »hatte von Jugend auf große Lust zur Music«, hatte Unterricht beim Organisten Zachow und komponierte schon mit elf »wie der Teufel«, besuchte das Stadtgymnasium und studierte 1702 bei Thomasius.
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»AM 22. JANUAR 1906 schloß der Genosse Kretschmann im Auftrage der Partei den Kaufvertrag ab...« - er kaufte, zum Ärger des vis-a-vis wohnenden Bankiers Lehmann, für 135000 von Arbeitern gesammelte Markstücke »Tinzers Garten«. Und hier entstand, noch vor dem ersten Weltkrieg, das Versammlungshaus »Volkspark«, vom Bankier »protzige Arbeiterbudike« genannt. Von diesem Volkspark-Haus der halleschen Arbeiter aus wurde der Munitionsarbeiterstreik vom August1917 gelenkt, hier wurde der erste Arbeiter-und- Soldatenrat gewählt, hier erfolgte im Januar 1919 die Gründung der Ortsgruppe Halle der KPD. In der Schlacht um Halle (März 1920), die wesentlich mithalf, den Kapp-Putsch nie- derzuschlagen, stand der Volkspark ebenfalls im Mittelpunkt des Geschehens. Und schließlich erlebten Tausende Hallenser am 31. Juli 1 924 hier die Gründung des Rotfrontkämpferbundes... Thälmann war hier... Die Nazis nannten den Volkspark »Reichshof«, und sie errichteten in ihm eine Musterungsstelle für ihre »Deutsche Wehrmacht«. Am 6. April 1946 tagte im Volkspark Halle der Provinzialvereinigungsparteitag - die beiden Arbeiterparteien vereinigten sich zur SED. In die Literatur - auch in die Schullesebücher der Kinder ist u.a. der 13. Mai 1925 eingegangen. An diesem Tag fand im Volkspark eine Großkundgebung statt, auf der der Kandidat der KPD für die Reichspräsidentenwahl, Ernst Thälmann, sprechen sollte. Bevor es noch dazu kam, drang die Polizei in den Saal ein, »Polizeioberleutnant Pietzker... löste die Versammlung auf. Die Polizisten sprangen mit gezückten Pistolen auf die Bühne. Pietzker gab Feuerbefehl, und die Polizisten schossen in die Massen hinein. Durch die Schüsse wurden zehn Arbeiter getötet, unter ihnen unser uns unvergeßlicher kleiner Trompeter...« - Fritz Weineck, geboren am 26. März 1897 in Halle/Saale, Kanzleigasse 2, seit dem 17. September 1921 verheiratet mit der Arbeiterin Emilie Meta Dietze... er hatte sich über Ernst Thälmann geworfen und somit dessen Leben gerettet!



»IM SAALKREIS IST DER PETERSBERG/ Ein respektabler Riese...« - heißt es im Gedicht. Hier, 15 Kilometer nördlich der Stadt, suchen die Hallenser Erholung (und Pilze), Reste des einstigen Klosters machen den Berg, der »wie ein verlorner Posten von dem Harzgebirge« dasteht und in Richtung Osten bis zum Ural keinen Konkurrenten mehr hat, auch zu einem geschichtsträchtigen Ort; im nahen Dorf Kütten erinnert indes nichts daran, daß hier 1665 der »Schelmuffsky«- Autor Christian Reuter geboren wurde. Für die Wettervorhersage taugt der Petersberg übrigens auch: »Wenn St. Peter rauchen tut, wird hernach das Wetter gut.« Der Süße See, auf dem Wege nach Eisleben gelegen, ist - neben dem Stadtforst Dölauer Heide - das bevorzugte Erholungsgebiet der Hallenser und der Halle-Neustädter. Zum Süßen See braust man mit dem Auto, und nicht nur zur Aprikosenblütenzeit oder während der Badesaison. Den sogenannten »Salzigen See«, südlich davon, gibt es seit 1892 nicht mehr. Mancher Hallenser setzt sich bloß in den »Krug zum grünen Kranze«, um auszuruhen, betrachtet die Schiffsanlegestelle der Weißen Flotte am gegenüberliegenden Ufer der Saale, dann die Burg Giebichenstein und freut sich an Eichendorffs Poesie.